An der größten Motoryacht der Welt , dem Abramowitsch-Spielzeug "Eclipse", sind wir vor ein paar Minuten vorbeigesegelt. Natürlich will keiner von uns so ein Riesending sein eigen nennen. Da müsste man ja viel zu viel Personal beschäftigen, ist der gängigste Einwand. Und außerdem: " Der kann ja nicht einmal damit in den Hafen." Und tatsächlich, die mit einer Klappbrücke bestückte Einfahrt in die Simpsonbay Marina auf St.Martin ist viel zu eng. Abramowitsch muss draußen bleiben.
Drinnen finden wir mit unserer Charteryacht "Vivaldi", einer vergleichsweise bescheidenen "Harmony 52", tatsächlich einen Liegeplatz,eingewiesen von dem Zweithelfer des Hafenmeisters. Der trägt Uniform mit niedrigem Rangabzeichen. Gleich nebenan liegen die Milliardärsyachten im Dutzend. Bewacht von Männern mit mindestens einem Goldstreifen auf der blauen Jacke. Krise gibt es anderswo. Ein kleiner Trost für Neidische: Auch die Reichen müssen manchmal sparen. Die wenigsten Anker der 50 bis 80 Meter langen Schiffe sind aus blankem Edelstahl. Die meisten sind grau verzinkt. Wie profan.
Die "Vivaldi" haben wir vor 24 Stunden in Marigot Bay übernommen. Eigentlich eine "Traumyacht", wenn man den Namen des Verleihers "dreamyachtcharter" wörtlich nimmt. Schon eine oberflächliche Inspektion lässt aber Zweifel aufkeimen. Als wir nach gründlicher Durchsicht die Mängelliste in der Charterbasis abgeben, sind wir ziemlich sicher, näher an einem Alptraum zu sein.
Aber was soll's, wir wollen uns die Laune von solchen Kleinigkeiten nicht verderben lassen. Zwar knallt uns gleich auf dem ersten Probeschlag im frischen Passat der „Inseln über dem Wind“ der Großbaumniederholer umdie Ohren und zwei Mastrutscher quittieren ihren Dienst, aber Segeln inder Karibik ist nun mal ein Traum. Und den will sich die elfköpfige Vivaldicrew, bis auf zwei andere erfahrene Segler sämtlich aus der Mitgliederliste der SVAOe, nicht verderben lassen. Also verbringen wir zwei der teuren Chartertage mit Instandsetzung und Reparatur. Am viertenTag ist die "Vivaldi" klar zur " Heineken- Regatta" .
Wir starten in der Bareboot-Klasse 1, die Gruppe der größerenCharteryachten. Es geht einmal im Uhrzeigersinn um die Insel herum. AmStart sind wir ganz vorn, am Ende Platz 4 (berechnet). Der zweite Start gelingt nicht. Wir sind die Letzten über der Startlinie. Bei meist frischen Winden segeln wir "up and down" zwischen St. Martin und Anguilla, und Skipper Eggert Schütt steuert die lahme Ente dann mit sieben Minuten Vorsprung (berechnet 6 Sekunden) auf Platz 1. Starts werden völligüberbewertet......
Eggert liefert am 3. Tag der Wettfahrt sein Meisterstück. Bei ganz flauem Wind gelingt es, am Start als einzige Yacht Fahrt im Boot zu haben. Die Konkurrenz brauchte ca. 20 Minuten, um überhaupt über die Linie zutreiben, dann findet er in der lang anhaltenden Flaute den jeweils besten Kurs von Marigot zur Simpson Bay. Mit einer kräftigen Privatbrise rollen wir auch das vor uns liegende Racer-Feld von knapp 100 Jachten von hintenauf. Der Lohn: Platz 1 in der Gesamtwertung unserer Klasse und ein zusätzlicher Riesenpokal für den "Most worthy Performer" des Sonntags. Bei der Preisverleihung meinte der Laudator des örtlichen Ausrichters, er könne das einfach nicht glauben: Fast eineinhalb Stunden Vorsprung bei einer knapp vierstündigen Regatta für "Vivaldi " und eine Zeit, die selbst weit größere und weit besser ausgerüstete Schiffe nicht erreicht hätten. Stolz wie Oskar schleppen wir Silbertablett, Superpokal undFreibierfässer an Bord und machen uns daran, uns noch ein wenig Karibikurlaub zu gönnen. Segeltraum wie im Bilderbuch: Wir grillen in einem Hurrikane-Hole, tauchen in einer einsamen Bucht, tanzen in einer Strandbar zu Raggae und feiern einen lärmenden bunten Karneval auf dem Milliardärsrefugium Saint-BarthÈlemy.
Auf dem Törn von dieser früher schwedischen, heute französischen Insel nach Anguilla geben zwei Buckelwale eine gut halbstündige Vorstellung: Der Große der beiden springt hoch aus dem Wasser, dreht sich und schiebt mit dem Rücken klatschend eine gewaltige Welle. Er winkt mit den überlangen Seitenflossen, schlägt mit dem beeindruckenden Schwanz auf das Meer und prustet dunstige Fontänen. Wir sind keine 200 Meter weg. Dies Whalewatching war gewiss der emotionale Höhepunkt einer unvergesslichen Reise.
Die Fotos sind von James Bartels und Lui Dahm.