Mein Vater ist leidenschaftlicher Segler und so manchen Abend erzählte er mir, wie er in seiner Jugend große Segeltouren gemacht hatte. Für mich sofort klar, dass ich das machen wollte. Schon eine Woche später sollte es losgehen. Ich war echt aufgeregt.“
(Rosa Thormeyer, Klasse 12 hat sich später leider einen Finger zwischen 2 Booten eingeklemmt( der Klassiker) und konnte nicht bis zum Ende dabei sein.)
Es war erst mal nur so eine Idee, den schon fast erwachsenen Schülern und Schülerinnen mal eine Sportart anzubieten, die nicht so üblich ist in der Schule. Aber ich dachte, dass das Auseinandersetzen mit den Elementen, vielen Schülern – mal abseits vom Abi-Stress Spaß machen würde. Auch denjenigen, die sonst vielleicht keinen Zugang zum sportlichen Segeln bekommen hätten. Von den Schulkollegen gab es schon mal Rückenwind für meine Idee. Und die Seglervereinigung Altona-Oevelgönne wollte sich wirklich auf das Experiment einlassen. Da die Rudolf Steiner Schule Altona mitten in Altona liegt (wo sonst?), war eine Kooperation mit der Seglervereinigung Altona Oevelgönne für uns natürlich das Beste, was passieren konnte.
Es war allen Beteiligten klar, dass das auch schief gehen konnte, auch mir. Ich befürchtete maulende Schüler, strömenden Regen, ohne Ende Auffahr-Unfälle, und der Verein befürchtete versicherungstechnische Schwierigkeiten, Engpässe bei den Segellehrern und überforderte Schüler, weil die Boote zu anspruchsvoll sein könnten.
Ich will auch gar nicht lange drum herum reden, es gab ein paar handfeste Streitigkeiten zu überwinden, bis das Projekt „Segeln mit der Oberstufe“ endlich stand.
Aber irgendwann hatten wir das Paket geschnürt. Es gab Bootsplätze für 14 Teilnehmer, Sven Becker hatte den Vertrag fertig, Herr Völker bracht ihn durch die Vorstandssitzung und es gab auch so viele Schüler/innen, die gerne segeln wollten, dass am Ende gelost wurde. Ralf, Rolf und Holly machten es zeitlich möglich, als Segellehrer bereit zu stehen, und die Boote lagen - dank Jonas - an der Alster bereit. Nach den Sommerferien wurde also quasi als Intensivkurs losgesegelt. Und: Dass es kein Sonntagsegeln werden würde, war ja klar, es war ja Sportunterricht.
„Als eine der ersten Übungen mussten wir lernen, wie man kentert. Das klingt erst mal komisch, da man ja eher davon ausgehen würde, dass man das Kentern eher vermeiden, als lernen möchte (…) Meine Klassenkameradin Dorothea und ich, wir waren also die erste Gruppe, die nun das Kentern üben sollte. Es hieß also „ab ins Boot“ und dann wurde gekentert. Wir hatten natürlich eine Einweisung von Frau Gottschall bekommen, waren also nicht ganz hilflos. Doch stellen Sie sich ruhig mal vor, was es für ein Gefühl ist, sein schönes trockenes Boot mit Absicht in der Alster zu kentern. Kein schönes kann ich Ihnen sagen. (…) Das Wasser hatte gefühlte 10 Grad und dann soll man auch noch schnell und sicher Handeln, wohl gemerkt während man in kalten schlammigen Wasser dümpelt. Das ist der erste Eindruck, aber ich an dieser Stelle gleich sagen: So schlimm ist es nicht. Uns hat es sogar richtig Spaß gemacht, nach dem ersten Schock“. (Naiomi Büsing, Klasse 12, konnte nach kurzer Übungszeit ihr Boot blitzschnell wieder aufrichten)
Der Spätsommer war also ganz schön aufregend, auch für mich als Lehrerin. Mal war zu wenig Wind, mal zu viel. Ich habe in diesen sechs Wochen ständig die Windstatistik verfolgt und gezittert. Ich wollte die Schüler natürlich zunächst mal fürs Segeln begeistern. Aber dann ist es ja auch immer der Job eines Sportlehrers, ein gutes Gruppenerlebnis möglich zu machen. Das war gar nicht so leicht: Ich merkte schnell, dass Teamgeist nicht von selber zustande kommt, wenn 14 Schüler die meisten Zeit in verschiedenen Booten sitzen. Die Einen schoben Frust, weil sie den Baum an den Kopf bekommen hatten oder gekentert waren, bei Anderen lief es super und die jubelten in sich hinein. Das ist beim Volleyball natürlich einfacher: Ein Ball, zwei Teams, gemeinsame Spannung und gemeinsames Schwitzen. Da braucht man nicht mehr viel tun fürs Gemeinschaftsgefühl.
Auch war es mein Wunsch, dass sich beim Auf- und Abbau der Jollen Alle gegenseitig helfen, dass sich die Teams mit ihren Fähigkeiten gut ergänzen und so weiter…. Also gab es dann mehr gemeinsame Kaffeerunden mit Keksen, neue Regeln für Zuspätkommer, damit ein wirklich gemeinsamer Anfang möglich wurde und lauter solche Kleinigkeiten, die wichtig für das Wir-helfen-einander-Gefühl.
Und ich wollte, dass die Gruppe immer mehr Verantwortung selber dafür übernimmt, dass sich alle wohl fühlen und die Regeln selbst bestimmt. Das klappte auch immer besser. Der Vorschlag, dass die Zuspätkommer dann dafür bis zuletzt bleiben und die Boote abbauen sollten kam nicht von mir, sondern von einer Schülerin und wurde für gut befunden. Danach kam übrigens keiner mehr zu spät.
Die Stimmung war gut und alle Schüler/innen haben segeln gelernt. Mehr war wirklich nicht drin in diesen 20 Stunden. Mehr als die Hälfte der Gruppe konnte am Ende sogar noch das Trapezsegeln ausprobieren:„Unsere Klasse hatte ihren letzten Segeltag. Es waren etwas mehr als vier Windstärken. Meine Mitseglerin Miriam und ich durften Trapez segeln. Doch bevor wir anfingen, musste die Gruppe ihre Boote auftakeln und erhielten eine ausführliche Einweisung von Ralf, unserem Segeltrainer. Dann endlich ging es los. Miriam und ich segelten den 470-er auf einen Am-Wind-Kurs. Als wir dann eine gute Böe bemerkten, stieg ich (am Karabinerhaken hängend und gesichert) auf die Bootskante und hängte mich raus. Miriam, die Steuerfrau war, steuerte hart am Wind weiter. Manchmal wenn eine stärkere Böe kam, mussten wir uns sogar beide raushängen, damit wir nicht kenterten. Es war ein atemberaubendes Gefühl über dem Wasser "zu schweben" und in einer exzessiven Geschwindigkeit das Wasser mit dem Boot zu schneiden. (…) Wir trapezten die Alster immer wieder in voller Länge hoch und runter. An jenem Tag hat alles geklappt. Wir waren ein super Team, begeistert von dem unglaublich freien Gefühl. (…) Dies war der beste Segeltag, den wir seit Langem erlebt hatten und auch der erfolgreichste. (Christian Schüßeler, Klasse 12, hat sich für den 470-er begeistert).
Ich glaube, Ralf, Rolf, Holly und auch ich wir waren am Ende alle sehr glücklich, dass alles so gut gelaufen ist. Außerdem waren wir begeistert, wie schnell die Schüler und die Schülerinnen das Segeln gelernt haben. Den meisten Jungs und Mädels hat es auch richtig Spaß gemacht. Sie wünschten sich, dass das Projekt im nächsten Jahr weiter geht. Nur zwei Schülerinnen hatten gemerkt, dass Segeln nicht ihr Sport ist, und das war ja auch in Ordnung. Das wars fürs Erste, und deshalb möchte ich mich an der Stelle noch mal bedanken, bei Sven, Ralf, Rolf und Holly. War echt gut.