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23.3.2019 Elske und Hartmut Pflughaupt

Als wir im Freundeskreis erzählten, dass wir uns entschieden haben, das 6. Mal durch den Göta-Kanal zu fahren, ernteten wir mitleidige Blicke. Diese ließen Rückschlüsse wie „da kann man nicht segeln sondern nur motoren“ mit „nach ja, die motoren ja sonst auch viel!“ oder „so viele Schleusen, wie kann man sich das antun?“ zu. Das alles beeindruckte uns wenig, denn wir wollten noch einmal in unserem Leben Schwedens „Blaues Band“ mit aller Zeit der Welt genießen. Immer dort, wo wir es uns besonders gut gefällt lange bleiben und auf den großen Seen endlich mal nicht nur den direkten Weg nehmen.
1978 sind wir das erste Mal mit Freunden durch den Kanal gefahren. 4 Wochen Rendsburg-Wedel, davon 5 Tage Mem-Göteborg. Dabei mussten bis auf die Schleusentreppe in Berg noch in allen Schleusen die Tore und Schieber im Handbetrieb betätigt werden. 1981 mit Hartmut’s Eltern, die die Reise schon mal per Göta-Kanaldampfer gemacht hatten, etwas geruhsamer, aber diesmal sorgten ein Kabelbrand in der Motorelektrik zwischen 2 Schleusentreppen mit einem im Ergebnis defekten Anlasser und eine kaputte Wellenkupplung in Mariestad für reichlich Aufregung.
1997 haben wir mit unseren 3 Töchtern immerhin 10 Tage im Kanal verbracht und 2004 mit Muchacho und Helga Zeiher 13 Tage. Wie man sieht, wir brauchten immer länger.
2016 war unsere Ausgangslage ähnlich wie im letzten Jahr, aber wir waren in Göteborg bzw. Trollhättan mit unserer ältesten Tochter samt Enkelkindern verabredet und so nahmen wir letztendlich windbedingt wieder den direkten Weg über den Vänern und zählten schon 28 Kanaltage.
Warum nun nochmal mit Zeit so viel wir wollten? Man muss sagen, dass die Landschaften auf dem Kanal von Ost nach West ungeheuer vielseitig sind und man sich an den unterschiedlichen Ausblicken kaum sattsehen kann. Die Schleusen sind zu zweit problemlos zu handeln. Es gibt aufwärts inzwischen vor den Schleusen kleine Anleger, an denen das landseitige Crewmitglied ohne Schwierigkeiten übersteigen kann, um Vor- und Achterleine über große Ringe auf der Schleusenmauer zu legen. Wir hatten uns schon 2016 angewöhnt, dass Hartmut die fest belegte Achterleine mit einer Wurfleinen-Affenfaust im Vorbeifahren auf die Schleuse wirft. Dann hatte ich genug Zeit nach dem Festmachen der Vorleine nach achtern zu gehen und den Tampen dort über einen großen Ring auf der Schleusenmauer zu hängen.
Wer aber Unterstützung braucht oder mal den Absprung verpasst, kann problemlos „Assistenz“ vom hilfsbereiten Schleusenpersonal bekommen.
180623 Berg Schleusentreppe Low
Auf dem Vättern-See sind wir diesmal nach eindringlichem Tipp schwedischer Nachbarn („nicht nach Süden nach Norden müsst ihr“), die uns mit einem örtlichen Schären-Handbuch versorgt haben, in die Nordspitze des Sees gefahren. Dort gibt es eine bezaubernde Süßwasser-Schären-Landschaft, mit wunderbaren Ankerplätzen oder man liegt auch direkt an den Steinen.
Die sehenswerte Festung im gleichnamigen Karlsborg hatten wir schon 2016 besichtigt. Dieses Mal haben wir einen Hafentag eingelegt, um an der immer freitags im Juli stattfindenden Veranstaltung „Allsång vid kanalen i Karslborg“ teilzunehmen. Bei diesem eintrittsfreien Ereignis treten lokale Künstler, verstärkt durch einen in ganz Schweden bekannten Künstler, auf und singen volkstümliche Lieder, die von den mehreren Hundert Besuchern begeistert mitgesungen werden (für Interessierte: www.allsangkarlsborg.se).
Ein weiterer Stopp lohnte aber wenige Meilen weiter: das Industriemuseum in Forsvik
Forsvik liegt strategisch an den Stromschnellen, wo drei Seen ihre Mündung in den See Vättern haben. Es ist diese Wasserkraft, die die Grundlage für den 600-jährigen Betrieb auf Forsvik Bruk bildete. Heute ist Forsvik eines von Schwedens interessantesten und am besten erhaltenen Industriekomplexen, das in einem kleinen Dorf über Generationen die Mitarbeiter des Betriebes beherbergte.
Von dem Liegeplatz vor einer der engsten Kanalstrecken schwärmen alle, die sich dort die Zeit genommen haben, um dieses Industriedenkmal zu besuchen.
Der Vänern-See trägt seinen Namen zu Unrecht, denn es ist eigentlich ein Binnenmeer, wo sich bei wechselnden Windverhältnissen schnell eine ruppige steile See aufbaut. 2018 war natürlich auch hier Jahrhundertsommer mit lauen Winden und so zog es uns auch hier gen Norden. Und wieder einmal begeisterten uns hier viele landschaftlich reizvolle Süßwasser-Schären. Insofern für uns nicht mehr verwunderlich, dass Freunde schon mehrfach dort von Göteborg kommend ganze Urlaube verbracht haben.
Und um die Anzahl der bewältigten Schleusen noch zu steigern, sind wir auf der Westseite des Vänern in den Dalsland-Kanal abgebogen. Auf Grund unseres Tiefganges konnten wir leider nur bis zur zweiten Schleuse auf eigenem Kiel fahren und haben dann mit unseren Fahrrädern einen Ausflug zu der beeindruckenden Schleusenanlage in Håverud mit einem Aquädukt aus 1865 gemacht.
Erst bei dieser sechsten Kanalpassage ist es uns gelungen, die Wasserfälle von Trollhättan zu bestaunen. Dort werden die Sperrwerke im ursprünglichen Flussbett des Göta-Älv, das neben der Schleusenstrecke verläuft, im Sommer täglich um 15 Uhr (und das war früher nur am Wochenende) geöffnet und die Wassermassen donnern zu Tal. Ein beeindruckendes Schauspiel! Auch die alten Schleusenanlagen mit einem traumhaften kostenlosen Liegeplatz unterhalb der letzten Schleuse sollte man sich nicht entgehen lassen.
Die Schweden sagen zum Göta-Kanal übrigens „Scheidungs-Kanal“. Schließlich hat man 66 Mal die Chance, sich mit seinem Partner in einer der Schleusen „in die Wolle zu kriegen“ und eine Scheidung zu provozieren. Aber nach 45 Ehejahren haben wir auch dieses Mal alle Schleusenvorgänge mit Bravour und mittlerweile viel Routine gemeistert. Wir haben es rundherum genossen und werden - allen Unkenrufen zum Trotz - weiterhin gemeinsam segeln. Und wer weiß, war dies wirklich unser letzter Versuch?
 
Und hier der komplette Bericht über unserer Reise 2018:
 
 

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