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Anmerkung der Redakion: die Berichte von Heiko Tornow über die Reise der "Luv", die an dieser Stelle fortlaufend standen, sind in den downloadbereich/Fahrtenberichte/"Von Wedel nach Westindien" verschoben.

 

 

Diesmal nicht das Logbuch der Luv.
Die Crew ist auf Heimaturlaub in Buxtehude.
Trotzdem eine aktuelle Geschichte


Roger Pratt ist tot. Ermordet auf seiner Yacht. Wir segelten im Herbst
zeitgleich von Europa über den Atlantik nach St. Lucia . Im Dezember
ankerten wir noch nebeneinander in der Marigo Bay . Jetzt fliegen wir,
zeitversetzt um etwa zehn Tage, zurück nach Europa. Wir in der
Economy-Class zum Heimaturlaub von der Luv. Roger Pratt im Laderaum, er
macht sein letzte Reise  im Sarg.
Drei unbekannte Männer entern  nachts auf der Reede von  Vieux Fort seine
41 Fuss lange Yacht "Magnetic Attraction". Roger Pratt wird  erst
zusammengeschlagen, erstochen und dann ins Meer geworfen. Seine Frau
Margaret überlebt schwer verletzt.
 Die Täter kamen im Gummiboot. Hatten die vielleicht auch uns zuvor
ausbaldowert? Wie dicht waren wir dran? Auch die Luv ankerte vor  Vieux
Fort. Hatte uns nicht Malcolm, der einheimische Lotse in der benachbarten
Stadt  Soufriere vor nächtlichen Überfällen gewarnt? Schwimmend oder
mit Booten kämen die Ganoven, und sie würden alles rauben, was nicht
niet- und nagelfest sei.
Malcolm, ein grosser junger Kerl,  hat aus der Kriminalität seiner Heimat
ein erfolgreiches Geschäftsmodell gemacht. Er besitzt ein sechs Meter
langes Fischerboot mit einem 65-PS -Motor. Damit fährt er bis zu zehn
Meilen auf die offene See hinaus und preit jede vorbeisegelnde Yacht an.
"How are you doing today?" , fragt er freundlich, wie es einem denn so
gehe heute,  und wo man denn hinwolle.  Antwortet der Skipper ebenso
freundlich und sagt, er wolle nach Soufriere, zu den malerischen Pitons,
den berühmten steilen Vulkankegeln im Süden der Bucht, klebt er schon am
Fliegenfänger. Er sei, erklärt Malcolm, sozusagen der Lotse zu den
Mooringtonnen von Soufriere. Er werde das Schiff einweisen, einen sicheren
 Ankerplatz kenne nur er. Man solle auf keinen Fall irgendeinem anderen
angeblichen Lotsen gestatten, irgendeine Dienstleistung anzubieten. Er,
Malcolm, sei der Herr der Bucht, der wahre und ehrliche Helfer aller
Segler.
Und tatsächlich. Im hier schon mehrfach erwähnten Segelhandbuch für die
Karibik, dem "Doyle" wird Malcolm genannt. Der Autor stellt ihm ein prima
Leumundszeugnis aus, nennt ihn zuverlässig.
 In der  nächsten Stunde kommen uns während der Ansteuerung gleich ein
halbes Dutzend von Malcoms Konkurrenten entgegen.  Sie haben deutlich
schwächer motorisierten Boote aber die gleiche Masche:   "How are you
doing today?", wo man denn hinwolle, und man sei ortskundig in der
Piton-Bucht undsoweiter.    Jetzt können wir uns der eifrigen
Dienstleister erwehren mit dem Hinweis, wir hätten schon einen Vertrag
mit Malcolm, den anderen Herrn der Ankerbojen. Die Bootsfahrer, sämtlich
junge Kerle, sind nicht überrascht, schließlich haben sie Augen im Kopf.
Malcolm ist zwar schon längst weitergerast zum nächsten Kunden, aber am
Horizont ist sein Fahrzeug noch sichtbar. Ob man denn wenigstens ein paar
Bananen brauche, werden wir gefragt, oder Fisch? Morgen werde man einen
Blue Marlin fangen und den sollten wir ihnen abkaufen.
Malcolm wartet tatsächlich auf uns, er nimmt die Leine an, sichert die
Luv an der Boje mit Expertise. Als wir ihn bezahlen wollen, lehnt er ab.
Das sei doch ein Freundschaftsdienst, den er für alle Segler leiste. Wenn
wir allerdings in einem Restaurant essen wollten, seine Tante habe das
beste im Ort, sein Bruder besitze ein Taxi, er selber sei Fremdenführer
und könnte uns auf die Pitons da drüben bringen, und, ganz wichtig: Sein
junger Begleiter hier, sein Neffe, könne als Wächter an Bord bleiben,
wenn wir an Land wollten. Denn hier in der Bucht sei es gefährlich.
Diebe, wohin man schaut. Malcolm und seine Verwandtschaft machen mit der
Luv ein gutes Geschäft.
Wir schlafen aber nicht gut in  einer der schönsten Buchten der Welt.
Auch weil die Reede nicht sonderlich gut vor der Dünung geschützt ist
und die Luv gewaltig  schwankt. Auch weil wir im Internet erfahren, dass
in den beiden vergangenen Monaten genau hier zwei Yachten nachts ausgeraubt
wurden. Die Segler waren jeweils an Bord.

Vor ein paar Tagen, wieder daheim in Buxtehude, habe ich all die
wunderbaren Plätze von St. Lucia im deutschen Fernsehen wieder gesehen.
Das Dritte Programm strahlt einen Film von MARE -TV über die Antillen -
Trauminsel aus. Nur gutes Wetter, nur tolle Landschaften unter
derTropensonne,   warmes Wasser über bunt belebten Korallenriffen und
freundliche Menschen, wohin man schaut. Toller Film, tolle Bilder.
Aber nur die halbe Wahrheit.

 

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