19.9.2010, Rainer Burrlein
I. Vorwort
Im Sommer 2009 habe ich aus Zeitmangel meinen Drachen GER 374, den wir mit ca. 4500 Std. restauriert hatten und seit 1997 segelten, verkauft. Als der Verkauf besiegelt war, überkam mich schon ein komisches Gefühl. Zum ersten Mal seit vielen Jahren stand ich ohne Schiff da. (Bis auf meinen Opti G706, in Mahagoni-Bauweise, der in meiner Firma im Besprechungsraum hochkant als Bücherregal steht.) Wehmütig, wie mir zumute war, habe ich mir im Internet Drachen-Annoncen angesehen. Zum Glück waren die Boote viel zu teuer oder aus Kunststoff.
Doch dann passierte ein fataler Irrtum. Ich machte einen Tippfehler, und die Suchmaschine zeigte mir mein „bald“ neues Schiff an. Eine Yachtwerft hatte im Namen eines Klienten einen hölzernen „Drache“ annonciert, und das wohl schon seit vielen Jahren ohne Erfolg. Was so ein fehlendes „n“ doch ausmachen kann. Nun war es geschehen. Mein Jagdfieber war entbrannt, und das, obwohl ich als Unternehmer doch eigentlich für so etwas keine Zeit hatte, denn das alte Boot hatte ich gerade deswegen verkauft.
II. Der Kauf
Ist das das erste Mal in meinem Leben, dass ich ein Schiff im Internet kaufen werde? Da flimmerte nun die Annonce auf meinem Bildschirm, die es mir angetan hatte: “Drache zu verkaufen, Standort Bodensee, nur Rumpf, Mast, Baum und Hafentrailer“.
Ich rief am nächsten Morgen, eigentlich nur zum Spaß, bei der Yachtwerft an und stellte die üblichen Fragen:
- Sind auch Segel dabei?
- Welche Segelnummer hat das Schiff?
- Gibt es einen Meßbrief?
- Was wissen Sie von dem Schiff?
- Was ist alles defekt?
- Ist der Rumpf morsch?
- Aus welchem Holz wurde das Schiff gebaut und von wem?
Antwort der Werft:
Wir verkaufen im Namen eines Klienten. Leider wissen wir nicht sehr viel über das Schiff. Es steht seit 14 Jahren an Land in einer Scheune. Es stammt wohl aus der DDR von einer Berliner Werft. Nein, Segel sind nicht dabei, und eine Segelnummer ist uns auch nicht bekannt. Einen Messbrief hat unser Klient auch nicht mehr. Der Klient hat es vor vielen Jahren einmal bei Ebay ersteigert. Material: Mahagoni, blau angemalt.
Der Werftbesitzer sagte mir noch, daß man Schiffe ohne Geschichte am Bodensee nicht restauriert. Als sein Klient das Schiff gekauft hatte, sagte man ihm wohl dasselbe, und da hat er es in die Scheune verbracht und sich einen anderen Drachen gekauft. Der Werftbesitzer sagte mir dann noch, dass man sogar beschlossen hätte, wenn sich bald keiner meldete, das Schiff in der Mitte durchzusägen. Dann sollte die Werft die eine Rumpfhälfte bekommen, um sie an einer Halle als Werbegag zu verwenden, und der Klient wollte sich die andere Rumpfhälfte an die Hauswand hängen.
Das ist für ein FKY-Mitglied eine Horrorvorstellung. Da musste gehandelt werden! Eigentlich wollte ich ja erst mal kein Schiff mehr haben wegen des Zeitmangels. Aber dies schien mir eine einmalige Chance. Ich bat den Werftbesitzer, mir noch ein paar Bilder per e-Mail zu senden.
Zwei Tage später waren die Bilder da, von der Bilge bis hin zum Deck. Danach machte der „Drachen“ einen sehr guten Eindruck. Ich fragte den Werftbesitzer, ob der jetzige Zustand des Schiffes eine Restaurierung zulassen würde. Dieses wurde bejaht, und es wurde bestätigt, dass am Schiff keine morschen Stellen zu finden seien.
Die heiße Phase hatte begonnen, und der Preis wurde verhandelt. Nun kam der Familien- und Crew-Rat dran, bevor ich mich endgültig entschied. Es wurde vereinbart, dass mir die Werft den Drachen zwei Tage reserviert.
Ich rief meine alten Segelkameraden vom Drachen GER 374 an und fragte, ob sie wieder dabei wären, wenn ich dieses Boot vom Bodensee nach Hamburg holen würde. Alle Crewmitglieder, neun an der Zahl, waren begeistert und sicherten mir zu, bei der Restaurierung zu helfen. Mein Vater, der ein begnadeter Ingenieur und Techniker ist, freute sich auch auf ein neues Projekt. Schließlich ist er Rentner, und so eine Aufgabe macht ja Spaß.
Daraufhin rief ich die Werft an und stimmte dem Kauf zu. Dank Internet brauchte ich auch nicht zum Bodensee zu fahren. Gekauft, wie im Internet gesehen: wenn mir das jemand vor 10 Jahren erzählt hätte, hätte ich ihn für verrückt erklärt. So ändern sich die Zeiten. Nun ging alles ganz schnell. Bereits am nächsten Tag war der Vertrag da und konnte unterschrieben werden. Nach nur vier Wochen ohne Schiff hatte ich nun wieder eins, meinen zweiten Drachen!
Jetzt musste das Schiff nach Hamburg geholt werden. Auch hier war mir das Internet behilflich, und es fand sich schnell jemand, der den Transport übernahm. Im Oktober 2009 war es endlich soweit, und ich erhielt den erlösenden Anruf, dass mein Drachen am nächsten Tag bei Wüstenberg ankommen sollte. Auf der Werft und Bootslagerung G. Wüstenberg hatten wir schon meinen ersten Drachen restauriert, und man bot mir gerne wieder einen Winterlagerplatz direkt an der Alster an. Was gibt es Schöneres.
III. Die Ankunft:
Am 13.10.2009 war es endlich soweit, und mein neuer Drachen stand vor dem Werftgelände. Per Kran wurde er in sein neues Bockgestell gehoben und wie auf dem Präsentierteller vorne am Werfteingang plaziert. Es war nun endlich Zeit, das Schiff zu inspizieren. Die Werft vom Bodensee hatte recht, wir fanden keine morschen Stellen. Das Holz war gesund.
Mein Vater stellte eine Leiter ans Schiff und stieg ins Cockpit. Wir wollten uns nicht damit zufrieden geben, dass dieses Schiff keine Segelnummer hatte. Achtern im Kielbalken werden von den Bootsbaumeistern ja immer die Nummern eingeschlagen. Und genau an dieser Stelle bedeckten viele Lagen Spachtel und Farbe den Kielbalken. Die Voreigner hatten hier eine Vorrichtung für die Baumstütze angebracht. Vorsichtig wurden die Spachtelmassen entfernt. Und siehe da, der erste Buchstabe kam zum Vorschein. Erst ein G, dann ein O. Die Spannung wurde größer. Danach wurde eine 5 freigelegt und schließlich eine 0. „GO 50“. Volltreffer! Schnell wurde das Boot mit einer neuen Winterplane zugedeckt. Zufrieden fuhren wir nach Hause und freuten uns über den Kauf dieses schönen Schiffes.
IV. Die Geschichte nimmt ihren Lauf.
Beim FKY habe ich mir daraufhin das DDR-Messbriefbuch heruntergeladen. An dieser Stelle möchte ich dem Verein meinen Dank aussprechen für ein so tolles Yachtsportarchiv. Ohne dieses würde ich wohl immer noch viele Daten mühsam suchen müssen. GO 50 und die Baunummer sind in diesem Buch verzeichnet. Dann rief ich den DSV an und fragte nach dem alten Messbrief der D-GO 50. Im Archiv des DSV gab es tatsächlich noch eine Kopie, die man mir per Post zusandte. Daraus erfuhr ich, wer dieses Schiff gebaut hatte. Es war Willi Lehmann, laut FKY-Archiv einer der bedeutendsten Bootsbaumeister seiner Zeit für Gesamt-Deutschland.
Werft : Willi Lehmann
Erster Eigentümer: ASK Rostock
Erster Name des Schiffes: Teufel
Baujahr : 1970
Als ich den Drachen kaufte, stand an der Kajüte noch: „Gemeiner Bläuling“.
Es folgte ein weiterer Anruf beim DSV, denn ich brauchte ja jetzt einen neuen Messbrief, da das Original wohl mit der DDR untergegangen ist. Es waren 2 Segelnummern frei, und ich durfte mir eine davon aussuchen. Ich nahm die GER 1085. Nach dem Nachweis, dass es jetzt mein Drachen ist und Einsendung einiger Fotos vom Schiff erhielt ich den neuen Messbrief samt Messplakette.
Nun ging es weiter mit der Recherche beim FKY. So stieß ich auf den Restaurierungsbericht des Drachen „Knechtsand“ und rief den Eigentümer an. Der war begeistert, dass es noch einen Willi-Lehmann-Drachen gibt, und dass dieser nicht schon verschrottet oder verschollen ist. Ich erhielt die Information, dass es sogar ein Willi-Lehmann-Museum in Wedel gibt. Auch hierhin telefonierte ich, und man war erfreut, dass nun eine weitere Lücke in der Sammlung geschlossen war. Die Daten wurden aufgenommen und stehen jetzt anderen zur Verfügung.
Die Geschichtsdaten sprudelten nur so. „Von wegen ein Schiff ohne Geschichte!“
Von Verwandten von Willi Lehmann erfuhr ich telefonisch, dass mein Boot wohl das letzte war, das er vor seinem Tod gebaut hatte, und zwar kurz vor der Olympiade 1972. Willi-Lehmann-Bauten waren bekannte Regattaschiffe. Ich habe die Regattaergebnisse in alten DDR Segelzeitschriften nachgelesen, die auch im FKY-Yachtsportarchiv zur Verfügung stehen. Das Schiff ersegelte in jener Zeit viele erste Plätze, und es ist wahrscheinlich, dass die Olympia-Mannschaft der DDR auch darauf trainierte. Es meldeten sich sogar alte Segler, die früher auf dem Schiff gesegelt sind und wollen es besichtigen, wenn sie nach Hamburg kommen.
Mehr Geschichte geht nun wirklich nicht. Mir wurde klar, dass ich mir ein erfolgreiches Regattaschiff gekauft habe. Das belegen die ganzen Informationen, die ich einholen konnte und auch die Beschläge an Bord, die vom feinsten sind. So macht die Ahnenforschung Spaß! Ich stehe im Kontakt mit vielen Seglern, und eventuell finden wir ja noch mehr Geschichtsträchtiges. Über Regattabilder aus DDR-Zeiten würde ich mich sehr freuen.
V. Die Restauration beginnt.
Im Oktober 2009 haben wir mit der Restaurierung des historischen Drachen begonnen.
Zuerst erfolgte die Bestandsaufnahme. Hierbei kamen uns die Erfahrungswerte der Restaurierung von D- GER 374 zugute. Diese Arbeiten wurden damals mit dem Restaurierungspreis der „Holzboot-Klassik“ auf der Alster prämiiert. Das ist nun auch unser jetziges Ziel.
Das Holz ist in allen Teilen des Schiffes gesund. Das war schon einmal sehr gut. Doch dann folgte ein kleiner Wermutstropfen. Die Planken hatten zum größten Teil kleine und größere Abstände zu den Spanten. Daraufhin haben wir erste Proppen entfernt und versucht, die alten Messingschrauben herauszudrehen. Sie hatten sich zum Teil aufgelöst. Meistens kamen nur Fragmente zum Vorschein, manchmal auch noch halbwegs komplette Schrauben. Fazit: Wir beschlossen, die gesamten alten Schrauben durch neue zu ersetzen. Was wir uns damit angetan hatten, merkten wir erst später. Es waren Berge von Schrauben, die wir in Behältern sammelten.
Dafür, dass das Schiff seit 14 Jahren an Land stand, war es bemerkenswert, dass die Plankennähte kaum geöffnet waren. Echte Bootsbaukunst. Eben ein Willi-Lehmann-Bau! Im Cockpit stellten wir noch fest, dass drei Bodenwrangen gebrochen waren. Die mussten ersetzt werden und ebenfalls einige gebrochene Spanten.
Der Bootsbaumeister, Herr Wüstenberg, kam vorbei und begutachtete das Schiff auch noch einmal. „Tolle Substanz“, war seine fachmännische Meinung. Und im Scherz sagte er noch: “Familie Burrlein wird ja sicher das Schiff wieder in Mahagoni-Natur lackieren!“ Bis heute war die Außenhaut dunkelblau mit weißem Unterwasserschiff. Wir waren uns da aber noch gar nicht sicher, ob wir uns diese Arbeit auch noch aufbürden würden. Sehr spannend war die Überprüfung der Kielbolzen. Aber siehe da, die waren super konserviert und sahen aus wie neu. Zum Glück!
Anfang November kam mein alter, gerade fertig restaurierter Drachen aus dem Wasser, und der Werftbesitzer - welche Gemeinheit von ihm! – hat ihn zum Ansporn unseres Restaurierungsvorhabens genau neben meinen neuen gestellt. Der alte war Mahagoni-natur lackiert und sah wirklich wunderschön aus. Auf der Alster ist er einer der bekanntesten Drachen, und der HSC hat sogar für die Holzboot-Klassik-Regatta mit einem Foto von ihm geworben. Dass mein altes Boot nun neben meinem neuen, restaurierungsbedürftigen stand, hatte tatsächlich Wirkung. Kurzerhand wurde beschlossen: „Das neue Schiff wird abgezogen, und wir versuchen es in Mahagoni-natur!“
Die Liste der Arbeiten wurde länger und länger. Ziel war eigentlich, zum Sommer 2010 fertig zu sein! Die alte Crew hat sich das Schiff angesehen, und alle waren begeistert. Jeder will an diesem Projekt teilhaben. Die alte Crew war wieder zusammen: Rainer Burrlein, Volker Burrlein, Kai Sommermeyer, Jens Borrmann, Jan Firnges, Monika Henne, Jiri Andress, Jan Eelbo, Danilo Hübler, und neu dazu gekommen ist Matthias Klages.
VI. Die Arbeiten beginnen:
Jeder hat nun seine Aufgaben erhalten. Die Crew musste zuerst das Unterwasserschiff und dann den oberen Bereich des Schiffes von der alten Farbe befreien. Das haben wir sehr schonend mit einem Heißluftfön erledigt. Mit dieser Arbeit waren wir bis Mai 2010 beschäftigt. Es ist eben eine Wochenend-Restaurierung. Die Teile vom Rumpf, die dann bloß lagen, hat sich der Senior (mein Vater) vorgenommen, um die Holzproppen und die alten Schrauben zu entfernen und durch neue zu ersetzen. In den kalten Wintermonaten waren wir natürlich nicht tatenlos. Unsere Garage wurde kurzerhand zur Bootsbau-Werkstatt umfunktioniert. Dort haben wir die neuen Bodenwrangen und Spanten gebaut, die wir ersetzen wollten. Vorne am Mastbereich sah ein Decksbalken schlecht aus, für den wir anhand des alten einen neuen anfertigten. Wie gut, dass unsere Crew einen Zimmermann hat, der den neuen angepasst und eingebaut hat. Wir haben auch früh angefangen, die Bodenbretter zu bearbeiten.
Zu Beginn des Sommers wurde die Firma International Farbenwerke auf unser Projekt aufmerksam und bot uns ein Sponsoring an. Das Unternehmen wollte unser Restaurierungsprojekt fachmännisch begleiten und stellte uns für die Restaurierung alle nötigen Farben und Lacke sowie Spachtel zur Verfügung. Obwohl wir aus dem vorigen Projekt schon allerlei Erfahrung mitbrachten, konnten wir vom Außendienst-Mitarbeiter, Herrn Hassenstein, noch viel lernen. Dafür bedanken wir uns sehr. Da diese Art von klassischen Schiffen ja Denkmäler vergangener Zeiten sind und nicht nur Liebhaberobjekte Einzelner, empfinde ich es als sehr schön, wenn auch große Firmen zu der Erhaltung beitragen.Nun hatte unsere Crew den ersten Top-Sponsor.
Die Firma Multitool, die mein Unternehmen Burrlein & Klinke OHG als Werksvertretung vertritt, bot ebenfalls ein Sponsoring an. Damit standen uns nun neben den Farben und der professionellen Beratung von International auch die nötigen Pinsel, Rollen, Farbwannen, Abziehwerkzeuge, Meßbecher, Arbeitshandschuhe, Staubmasken usw. zur Verfügung. Mit diesen Sponsoren war unsere Arbeitsgrundlage noch fachmännischer geworden. Welche Drachen-Crew hat schon Sponsoren. Einfach toll!
Als der Rumpf ohne Farbe in seinem natürlichen Holz vor uns stand, waren wir schon begeistert über die gute Qualität des Rumpfes. Regattaschäden der Vorbesitzer hielten sich in Grenzen. Zu DDR-Zeiten wurde leider nur mit Spachtelmasse repariert. Diese musste nun herausgekratzt werden. Betroffen war der obere Plankengang. Der Senior hat die Stellen sauber ausgestemmt und mit Mahagoni ausgeschäftet.
Herr Wüstenberg hat uns schon in dieser Phase der Restaurierung den Ritterschlag gegeben, indem er uns lobte und sagte, besser hätte er diese Arbeiten auch nicht machen können. Dennoch waren wir sehr froh, dass wir den Werftbesitzer und Bootsbaumeister sowie unsere Sponsoren als Fachkräfte am Ort hatten, die wir fragen konnten, wenn professionelle Hilfe nötig war. Schließlich sollte das Schiff ja wieder wie neu aussehen.
Ende Juli hat der Senior die letzten Proppen und Schrauben im Überwasserbereich ersetzt. Mittlerweile waren wir bei knapp 1000 Stunden Arbeitszeit angekommen. Das Deck nahm so langsam auch Gestalt an. Jan, Jens und ich waren eifrig dabei, die alten Schrauben aus dem Deck zu holen. Sie sahen zum Teil noch aus wie richtige Schrauben. Hier hatte die Elektrolyse noch nicht so angesetzt wie im Rumpfbereich. Nur an den Stellen, wo das Deck durch Rigg-Kräfte belastet wird, waren die Schrauben ziemlich hinüber.
Die heiße Phase vor dem Lackieren kam näher. Ende Juli lieferte unser Hauptsponsor International eine Palette Farben und Lacke. Vorher war am Computer ermittelt worden, was wir für unser Restaurierungsprojekt genau benötigten. Eine solche detaillierte Berechnung war für uns Neuland und spannend. Herr Hassenstein von International setzte vor der Lackierphase einen Fototermin an. Es sollte ja genau dokumentiert werden, wie die einzelnen Arbeitsschritte ablaufen. Auch diese Erfahrung ist neu und macht Spaß. Und dass unsere Arbeit bereits im Vorfeld gelobt wird, machte uns stolz.
Nun war es soweit: Der glattgeschliffene Rumpf (Finish mit 240er Schleifpapier) wurde mit Mahagonibeize Interstain gebeizt. Die „Blume“ des Mahagonis kam zum Vorschein. Die ganze Crew war begeistert. Und die Spitze vom Werftbesitzer hat gezogen. Das Schiff wird wie das alte mit Klarlack versehen.
Während der ersten Malerarbeiten kam der Bootsbaumeister vorbei und gab seinen Kommentar ab: „Ich wusste doch, daß die Familie Burrlein das Schiff wieder in Mahagoni-natur lackieren wird!“ Eine Woche später bei blauem Himmel und Sonne pur wollten wir den ersten Klarlack vermalen. Wir haben uns wie bei unserem alten Drachen wieder für einen 1-Komponenten-Klarlack entschieden. (Produkt „Original“ von International). Auf das richtige Mischverhältnis kommt es an:
1. Lackschicht: (1 Liter wurde angemischt in einem Meßbecher von Multitool)
30% Klarlack Original und 70% Verdünnung Nr. 1 sowie 100ml Interstain Mahagonibeize von International.
2. Lackschicht: Diesmal wählten wir das folgende Mischverhältnis:
50% Klarlack Original und 50% Verdünnung Nr. 1 sowie 100ml Mahagonibeize
3. bis 6. Lackschicht:
70 % Klarlack Original, 30% Verdünnung Nr. 1 sowie 100ml Mahagonibeize von International.
Die 5. und 6. Lackschicht wurde aber erst eine Woche später im August vermalt.
Im Sonnenschein glänzte der Rumpf bereits und machte Lust auf mehr. Herr Hassenstein besuchte uns am 08.08.2010, um sich die ersten Ergebnisse anzusehen. Er war ebenfalls begeistert von unserer Arbeit.
Der Senior hatte die letzten Arbeiten am Unterwasserschiff im August abgeschlossen. Zu diesen gehörte natürlich das Kalfatern nach alter Bootsbauhandwerkskunst. Es wurden nur die großen Nähte kalfatert. Die kleineren wurden mit Sikaflex abgespritzt. Es waren zum Glück nach der Montage der neuen Schrauben nur sehr wenige Nähte, die noch nachbearbeitet werden mussten. Alle Planken saßen nun wieder fest an den Spanten, alle Lücken waren geschlossen. Die Festigkeit des Rumpfes ist wieder wie bei einem Neubau. Es waren wohl mehr als 1000 Schrauben inkl. der Decksschrauben, die ausgewechselt worden waren. Start war Oktober 2009, und die letzte Schraube wurde Ende Juli 2010 verbaut.
Im Bugbereich wurden noch kleinere Plankenstücke ersetzt, da diese doch etwas gelitten hatten. Auch der Übergang zum Kiel wurde mit neuen Leisten versehen. Kai hatte mittlerweile angefangen, den Eisenkiel mit Spachtel zu glätten (Fabrikat Water Tight von International). Auch das Ruderblatt mußte dringend repariert werden. Durch die Persenning-Reihleinen hatte das Ruderblatt tiefe Leinennarben davongetragen. Ein Stück vom Ruderblatt war dabei gänzlich abgebrochen. Dank Epoxidharz war diese Reparatur leicht zu bewältigen.
Der Wasserpaß wurde abgeklebt. Zum Glück hatte der Bootsbaumeister Willi Lehmann die Wasserlinie durch kleine Punktmarken gekennzeichnet, die in die Planken gestemmt waren. Der Senior und ich hatten nun die Ehre, den Unterwasseranstrich mit Primocon aufzubauen. Auch das ist ein Produkt der Firma International und dient der Grundierung, bevor später das Antifouling aufgetragen wird. Da wir das Unterwasserschiff von Grund auf neu behandeln, befolgen wir den Rat von International und werden mindestens 10 Lagen aufbringen. Am ersten Tag gelangen uns bereits vier Lagen.
Das Crew-Team um Kai und Jens gab in den ersten Tagen im August richtig Speed und reparierte das Deck. Es wurden alle Beschläge demontiert. Bereits im Mai hatte ich die Kajüte und das Süll abgezogen. Unebenheiten wurden mit Spachtel geglättet. Auf ein Stabdeck haben wir bewusst verzichtet, da es sich bei unserem Drachen um eine „Rennmaschine“ handelt, und da ist überflüssiges Gewicht nicht gewünscht. Das Deck soll später mit Interdeck von International lackiert werden.
Jiri und Jan haben im Innenschiff die Bordwände geschliffen, sodass der Bilgebereich mit Firnisöl getränkt und konserviert werden kann. Mittlerweile sind die neuen Spanten und Bodenwrangen eingebaut, und der Senior hat die Kielbolzen mit einem Drehmomentschlüssel wieder angezogen. Der Drehmomentschlüssel ist wichtig, denn wie der Volksmund so schön sagt, nach fest kommt ab, und das wollten wir unter allen Umständen verhindern.
VII. Kleinarbeiten, auf die man nicht verzichten kann:
So langsam müssen wir anfangen, uns um das Zubehör zu kümmern. Viele kleine Bauteile am Schiff, von den Bodenbrettern angefangen, warten ebenfalls auf eine liebevolle Restaurierung. Die Mastinspektion hat ergeben, dass wir uns wohl um einen neuen Mast kümmern sollten, da die Vorgänger bereits an einigen Stellen geschweißt hatten. Das war uns nicht ganz geheuer, und es wäre schade, wenn wir mit dem restaurierten Schiff gleich Mastbruch erlitten, und ein Teil unserer Arbeit wieder zerstört würde.
Also musste ich mich wieder ans Internet hängen. Ich habe in ganz Deutschland nach einem brauchbaren Mast gesucht, der unser Budget nicht gleich sprengen würde. Es war keiner zu finden! Auf der Internetplattform der Drachen-Klassenvereinigung habe ich dann ein Inserat aufgegeben: „Suche Alu-Mast für Drachen“.
Glück muss man haben. Nur wenige Tage später erhielt ich eine e-Mail, dass ein Drachen-Segler einen kaum gesegelten passenden Mast seit vielen Jahren im Schuppen hat. Er hat mir Bilder zugesendet, und ich erkannte gleich, dass es genau der gleiche Mast war, den es zu ersetzen galt: ein Reckmann-Mast. Damit würden alle Wanten und Fallen passen und natürlich auch der Mastfuß. Einziger Wermutstropfen: der Mast lag am Starnberger See. Dennoch wurde der Mast gekauft, und nach kurzer Zeit hat er auch eine Mitfahrgelegenheit bekommen und wurde mir Ende Mai angeliefert.
Die Bodenbretter haben ihr Finish zuhause in der Garagen-Werkstatt erhalten. Beim Demontieren der Decksbeschläge ist uns aufgefallen, dass die Pinne lose und die Endhalterung im Niroblech gebrochen war. Pinne und Halterung sowie die grau angemalte Zierblende für den Decksdurchbruch der Ruderanlage wurden in unserer Werkstatt zuhause repariert. Der Pinnenbeschlag wurde in einem Metallbetrieb geschweißt. Die Zierblende wurde abgezogen und natur-lackiert, da sie auch aus Mahagoni ist. Die Pinne war hinten zu dünn für den Nirobeschlag, was sicherlich der Grund für den Bruch im Blech war. Sie wurde aufgeleimt, so dass sie richtig in den Beschlag passt. Pinne, Reitbalken, Bodenbretter, Teakleisten usw. wurden zuhause mit „Original“-Lack behandelt und warten nun auf den Einbau.
Der Name musste auch noch ans Heck. Ich besaß noch gelbe Folie. Mit einem Schreibprogramm druckte ich den Namen und befestigte die Schablone mit Klebeband auf der Folie. Dann wurde ausgeschnitten. Das klappt immer sehr gut. Am 08.08.2010 konnte ich das Heck damit bekleben. Der neue Name des Drachen: TRINITY. Der Schriftzug am Heck wird einlackiert.
Fallen, Wanten, Riggteile werden kontrolliert. Auch die Beschläge, die wir demontiert hatten, werden gereinigt und gangbar gemacht. Im September 2010 wurden die restaurierten Bodenbretter im Schiff angepasst und eingebaut. Das Deck erhielt mit 2 Lagen Interdeck beige von International sein Finish. Im Rumpfinneren hat sich auch sehr viel getan. Das gesamte Innenschiff war abgezogen und wurde nun 4 mal lackiert mit Original-Klarlack von International. Ein Teil der Crew war bis Mitte September damit beschäftigt, alle Beschläge wieder anzubauen. Der Bug bekam eine Messingschiene und einen neuen Kopfbeschlag.
Etliche Gäste der Bootsvermietung, die auf das Werftgelände Wüstenberg kamen, blieben stehen und bewunderten den schönen Rumpf. Die vielen Komplimente gingen uns runter wie Öl. Die TRINITY war nun wieder zu einem Kunstwerk vergangener Bootsbaumeisterleistung geworden.
VIII. Slipptermin
Nach fast 1500 Stunden harter Arbeit war es endlich soweit, und ich konnte einen Slipptermin mit dem Werfteigner vereinbaren. Hierfür lieh uns die Bootswerft Künzel vom Goldbeck-Kanal einen Heißstropp für Drachen. Hierfür noch einmal vielen Dank. Am 13.09.2010 um 16.20 Uhr war der große Moment da, und die TRINITY hing im Kran. Nach genau 14 Jahren an Land wurde der Drachen seinem Element wieder zugeführt. Langsam tauchte der Kiel ein, bis der ganze Rumpf mit dem Alsterwasser in Berührung kam. „Ist er dicht?“ war nun unsere große Frage. Ja, er ist dicht. Nach langen Jahren an Land machte der Rumpf so gut wie kein Wasser. Er war dicht, und die extra gekaufte Elektropumpe konnte wieder eingepackt werden. Wir hätten sehr gut gearbeitet, war der Kommentar vom Bootsbaumeister!
Die Taufe des Drachens werden wir in unserem Clubhafen in den nächsten Tagen mit Freunden, Familie, Crew und Sponsoren vornehmen. Alle sind ganz heiß darauf, den Drachen zu segeln. Wenn nun das neue Rigg so passt, wie wir uns das vorstellen, kann man die TRINITY bestimmt bis Ende Oktober 2010 auf der Alster sehen. Das endgültige Finish der Restauration werden wir dann im Winter vornehmen. Wir werden berichten. Weitere Informationen zur Restaurierung finden Sie auf unserer Homepage www.sy-trinity.de