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Aufgeschrieben von Jan-Peter Behnke im Mai 2013

Mein Vater, Kurt Behnke, war seit seiner Jugend dem Segelsport verbunden und u.a. Eigner einer C-Jolle. Wie viele andere, wurden auch meine Eltern im Krieg ausgebombt. Die Jolle wurde zum Erwerb eines neuen Schlafzimmers verkauft. Mein Vater segelte dann in der schifflosen Zeit auf verschiedenen Yachten der Familie Wegener mit, bis sich für ihn im Jahr 1959 die Möglichkeit ergab, an den Kauf eines neuen Bootes zu denken.

Die Segelkameradschaft Ost (SKO) bot ein Kielschiff zum Verkauf an. Sein Liegeplatz war der Maakenwerder Hafen (auch Ewerhafen genannt, in Waltershof gleich neben dem Köhlbrand). Es handelte sich um einen 1944 bei Hamann in Travemünde zum Eigenbedarf gebauten Vertenskreuzer (Schleikreuzer) mit dem Namen „Venus“ und den Maßen 9,50 x 2,00 x 1,35 Meter. Material: Eiche auf Eiche. 

In den 1930er Jahren gab es eine Ausschreibung des Deutschen Segler-Verbandes für ein familienfreundliches Boot als Nachfolger für den Schärenkreuzer. Es wurden zwei Entwürfe eingereicht: das Walboot (Knickspant mit stark gerundetem Deck) nach einer Idee von Hans Domitzlaff entworfen von Adolf Heldt und der Schleikreuzer (Vertenskreuzer) von Carl Vertens. Das Walboot ging als das kleinere und billigere als Gewinner hervor. Vom Vertenskreuzer wurden im Laufe der Jahre etwa 30 Stück gebaut und anfangs für ca. 4.500 Reichsmark segelfertig mit Pütt und Pann verkauft.

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In den fünfziger Jahren erwarb die SKO einen Vertenskreuzer, der schon einige Voreigner gehabt hatte, als Ersatz ihres bisherigen Vereinsschiffs, das auf einer Elbregatta als Totalschaden verloren gegangen war. Der Vertenskreuzer wurde unter dem Namen „Pfeil“ bis 1959 von Vereinsmitgliedern gesegelt und dann – wohl hauptsächlich auf Grund erheblichen Reparaturbedarfs – zum Verkauf angeboten. Mein Vater, Schiffbauer von Beruf, kaufte den „Pfeil“ für DM 4.500,00 und erfüllte sich damit einen großen Traum, wieder ein eigenes Schiff zu besitzen. Nach dem Kauf wurde es bei der Wegener-Werft in Altenwerder gleich wieder an Land geholt. Wohl durch eine Grundberührung war im Achterschiff erheblicher Schaden entstanden, und es mussten neue Spanten, eiserne Bodenwrangen und Planken ersetzt werden. Um an die entsprechenden Stellen zu kommen wurde das Cockpit entfernt und gleich erneuert. Danach wurde das Schiff seinem Element Wasser wieder übergeben und zum Kennenlernen auf der Elbe bewegt. Dabei zeigte sich, dass der Aufbau leckte und das Deck einen neuen Leinenbezug benötigte. Es war also wieder viel Arbeit nötig, und es wurden gleich Nägel mit Köpfen gemacht: Der Aufbau wurde komplett erneuert und die Einrichtung gleich mit. Dann wurde wieder gesegelt.

Nach der Sturmflut im Jahr 1962 siedelte die Wegener-Werft in den Hamburger Yachthafen nach Wedel um, und wir mussten uns einen neuen Liegeplatz suchen. Wir kehrten zurück zur SKO in den Maakenwerder Hafen und blieben dort, bis der neue Elbtunnel gebaut wurde und das Hafenbecken als Trockendock für die Tunnelsegmente benötigt wurde. Wir mussten weichen. Einen neuen Liegeplatz fanden wir im Sommer und im Winter im Neßkanal bei der Heuer-Werft in Finkenwerder (passte auch gut, da meine Eltern in Finkenwerder wohnten). Das Leinendeck leckte mittlerweile wieder, und es musste zur Reparatur eine Entscheidung getroffen werden, die auch finanziell tragbar war. Wir verlegten ein Sperrholzdeck, das lackiert wurde und somit die reinste Rutschbahn war. Der Lack wurde daraufhin mit Sand vermischt, so dass die Unfallgefahr eingegrenzt wurde, dafür aber Hosen und Knie stark litten. Das Aussehen passte jedoch.

Das nächste Problem kam aber unausweichlich. Das Schiff machte verstärkt Wasser, und wir hatten das Empfinden, die Elbe wieder und wieder durchzufiltern. Allerdings blieb das Elbwasser trübe, die Filterwirkung war wohl nicht so gut. Im Jahr 1974 trat der Sachverständigenrat, bestehend aus Familie Behnke, Bootsbaumeister Jürgen Heuer, seinem Gesellen Rolf Krüger und Bootsbaumeister Heinz Wegener zusammen. Die Entscheidung war, den Rumpf mit Kunststoff zu überziehen. Dieses Abenteuer startete im Herbst 1974 auf der Heuer-Werft in der einzigen Halle. Dazu wurden wir in die letzte Ecke verbannt und konnten mit den Vorarbeiten beginnen.

Zunächst wurde die Farbe vom Rumpf abgebrannt und mit gröbstem Schleifpapier („Dachpappe“) bearbeitet. Im Laufe von „Arbeitsgesprächen“ wandelten sich die Reparaturarbeiten dann zu einem Umbau. Das Deck könnte doch als Stabdeck verlegt werden, und um ein wenig mehr Raum zu gewinnen, könnte man das Schiff eine Planke höher machen. Die erste Idee war, einfach den Rumpf unter der obersten Planke aufzusägen, eine neue Planke einzusetzen und anschließend das Deck mit dem Aufbau wieder aufzusetzen. Damit hatten wir aber noch kein neues Deck. Eine andere Idee war, den Aufbau abzunehmen, das Deck abzunehmen, um eine Planke aufzuplanken, dann ein Stabdeck zu verlegen und den Aufbau wieder draufzusetzen. Nach reichlicher Überlegung und vorangegangenem Kassensturz entschieden wir uns für die zweite Version. Der Aufbau wurde abgenommen und unter dem Schiff gelagert. Das Deck wurde mit einer Kreissäge quer zur Längsachse Streifen für Streifen aufgesägt und ausgebrochen. Damit waren die Vorarbeiten zum Aufplanken erledigt. Das Aufplanken erwies sich dann aber doch schwieriger als gedacht, zumindest im Achterschiff im Bereich des Spiegels. Der Spiegel wurde abgesägt (er hängt heute bei uns im Flur an der Wand), und auf drei Meter nach vorn wurden die Spanten entfernt. Während dieser Arbeitsphase kam Jürgen Heuer mit einem unglaublichen Vorschlag: wenn wir das Schiff schon aus Platzgründen 20 cm höher machten und ein neues Deck auflegten, dann könnten wir bei der Gelegenheit den Rumpf doch auch gleich breiter machen. Vorsichtshalber sagte er das nicht im Beisein meines Vaters, aber uns anderen gefiel das.

Nach kurzer Überlegung gingen wir ans Werk, und zwar, als mein Vater zum Mittagessen nach Hause gefahren war. In den leeren Rumpf (die gesamte Einrichtung fiel dieser Aktion zum Opfer) wurden Balken und „Daumenkräfte“ (Zahnstangenwinden) angesetzt. Einer von uns wurde neben dem Schiff postiert, um darauf zu achten, dass der Rumpf nicht nach außen auseinander brach. Die restliche Mannschaft (vier Personen) war für Balken und Daumenkräfte zuständig. Es wurde gedreht, es knirschte, knackte und krachte. Spanten brachen. Das Schiff wurde um 20 cm breiter. Danach wurden Rundeisen diagonal durch das Schiff geschoben, um es zu fixieren.

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Die wichtigste Person bei dieser Aktion war „Opa Tee“, ein alter, stets auf der Werft anwesender Freund von Jürgen Heuer. Er hatte die Aufgabe, meinen Vater, wenn er von der Mittagspause zurück kam, im Schnack aufzuhalten, denn die Verbreiterung fand ja ohne sein Wissen statt, und ihn hätte sicherlich der Schlag getroffen, wenn er hätte zusehen müssen. Als er die Sache später bemerkte, machte er gute Miene zu dem Spiel, wohl auch, weil durch Jürgen Heuers Geschick kein größerer Schaden entstanden war.

Jetzt konnten wir die Spanten verlängern, die Planken anbringen, und der Deckstringer (Balkweger) kam an die Spanten. Die fehlenden Spanten haben wir aus einzelnen Streifen über einem Kern verleimt. Auf die gleiche Weise wurden auch die Decksbalken gefertigt. Auf das Gerippe kam ein 8 mm Sperrholzdeck, und es wurde die Schlinge aufgelegt, worauf der vorhandene Aufbau wieder seinen Platz fand.

Der Rumpf war bis auf das Cockpit wieder geschlossen, und wir konnten mit der Einrichtung anfangen. Schotten, Kojen und Schränke wurden angefertigt und eingebaut, und das Holz für das Stabdeck (10 mm Teakholz) wurde zugeschnitten. Als erstes wurde der Fisch vorn und hinten aufgeschraubt und dann das Stabdeck mit Kauresinleim verlegt (ohne Schrauben und Nägel). Lediglich in den Nähten wurde mit Nägeln Druck gegeben. Nach dem Ausgießen der Nähte mit Gummi wurde das Deck geschliffen, und das Setzbord (Relingsleiste) wurde montiert.

Nachdem diese Arbeiten beendet waren, konnten wir uns um die Außenhaut kümmern. Wie bei der vorher auf Heuers Werft gemachten Kunststoff-Beschichtung von Peter Himstedts „Saturn“ (heute „Heti“) haben auch wir den Rumpf mit einer Unzahl von 3,5 mm weiten Löchern angebohrt, die als Anker für den Überzug dienen sollten. Von der Werft Willy Asmus aus Glückstadt erhielten wir Glasfasergelege und Polyesterharz.

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 Irgendwann nach Pfingsten 1975 (die Halle war leer) wurde das Schiff auf die Seite gelegt, und wir konnten mit dem „Tapezieren“ beginnen. Im Bereich des Vorstevens und im Heckbereich wurde ca. 8 mm Glasfasermatte aufgebracht, ansonsten 4 mm. Nachdem die eine Seite durchgehärtet war, wurde das Schiff „gewendet“ und die andere Seite behandelt. Danach hieß es schleifen, schleifen und nochmals schleifen. Mit einem langen mit Sandpapier bezogenen Brett haben wir vier bis fünf Wochen damit verbracht. Zwischendurch wurde immer wieder gespachtelt, denn das Schiff sollte eine schwarze oder dunkelblaue Außenhaut bekommen, wie es vorher war. Nachdem der erste Lack aufgetragen war, stellten wir mit Entsetzen fest, dass der Rumpf viele Berge und Täler aufwies, und wieder mussten wir schleifen und spachteln. Wir entschieden uns daraufhin, den Rumpf weiß zu lackieren. Es wurden schließlich vier Schichten 2-Komponentenlack aufgetragen. Der Rumpf war fertig.

Nun wurde es Zeit, sich mit dem Rigg und den Beschlägen auseinander zu setzen. Wir fuhren nach Altenwerder zu Walter Schulz, der uns einen Segelriss zeichnete. Das Schiff sollte nach dem Umbau eine Topptakelung erhalten, und so benötigten wir auch einen neuen Mast. Diesen bekamen wir von Heinz Wegener in Wedel. Er hatte noch etwas Passendes liegen. Der Transport nach Finkenwerder wurde im Herbst mit Hilfe von Peter Himstedt und seiner „Saturn“ getätigt. Mit Segelmacher Hinsch aus Glückstadt wurde die Segelgarderobe besprochen. Liefertermin: 14 Tage vor Ostern 1976. Jetzt hätte das Schiff eigentlich zu Wasser gekonnt, doch ohne Segel, Seereling und andere Kleinigkeiten sollte es nicht in sein Element.

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Zwei Wochen vor Ostern 1976 kam „De greune See“ bei herrlichem Wetter zu Wasser: leichte westliche Winde, Sonnenschein und Schneeschauer. Moi Weer!

Der erste Probeschlag ging nach Wedel. Alles machte einen guten Eindruck, war jetzt stark gebaut und endgültig dicht. Jetzt wollten wir wissen, wie wir mit anderen Schiffen mithalten könnten und meldeten bei der „Blaue Band Regatta“. Der Wind war Ost um sechs. Der Spinnaker war dafür zu viel Segelfläche, also wurden zwei Vorsegel gesetzt. Wir landeten im Mittelfeld und waren nicht unzufrieden.

 

 

 

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Im Jahr 1977 bekamen wir einen neuen Mast, da der alte sich als zu weich erwies. Dieser hielt aber nicht lange. Er verabschiedete sich auf der Pagensand-Regatta aufgrund starken Windes und wohl zu viel Segelfläche. Die Saling brach. Mein Vater war 1976 gestorben. Da ich die Saison unbedingt noch zu Ende segeln wollte und die Bootswerften zu dem Zeitpunkt keinen Holzmast verleimen konnten, wurde bei der Firma Reckmann ein Alumast bestellt. Zwei Wochen nach dem Mastbruch konnte wieder gesegelt werden. Dieser Mast steht heute noch.

Das Schiff wurde bis ins Jahr 1978 ohne Maschine gesegelt. Dann zog auch bei „De greune See“ die Neuzeit ein. Ein 8 PS Farymann Dieselmotor wurde eingebaut.

Nach dem Tode meines Vaters übernahm ich das Schiff und segelte es zunächst einhand. Im Jahr 1981 kam dann ein Smutje an Bord. Bis ins Jahr 1997 hat uns „De greune See“ viel Freude gemacht, und wir haben während unserer Urlaube die Ostsee mit ihr erkundet. Mit zunehmendem Alter wurde uns bewusst, dass wir uns aus Gründen des Platzes und der Bequemlichkeit irgendwann trennen müssten. Im Jahr 1997 wurde „De greune See“ schweren Herzens verkauft.

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Heute ist das Schiff – immer noch mit gleichem Namen – in sehr guten Händen und wird liebevoll gepflegt. Die Eigner machen den Sommer über große Reisen in der Ostsee. Im Winter liegt es wieder in seiner alten Heimat, bei der Heuer-Werft in Finkenwerder. Allerdings ist auch sie inzwischen umgezogen, und zwar an den Rüschkanal, und auch bei ihr ist eine neue Zeit eingezogen. So abenteuerliche Umbauten wie damals sind heute wohl nicht mehr möglich.

 

 

 

 

 

 

 

 

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