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8.9.17 Webredaktion

Die Gebrüder Pollähn erinnern sich und beschreiben damit zugleich ein halbes Jahrhundert Regattageschichte auf der Niederelbe.

1968 segelten mein Bruder und ich unsere erste Glückstadt Wettfahrt im Folkeboot- damals mit F-G-215, dem zweiten Folkeboot in der Familie Pollähn. Dieses neue Boot war ein sehnlich erwartetes, gemeinsam geplantes Projekt: Gewöhnlich segelten wir mit Vater und Mutter. Bedenke: Ein neues „Volksboot“ in DK bei Lindt oder Börresen bauen zu lassen, kostete etwa so viel wie vier Volkswagen Käfer. Dazu brauchten wir schon mal drei Verdiener in der Familie – doch das dauerte auch bei einem tüchtigen Finanzminister (unsere Mutter) eine ganze Weile bis zur Realität (1967).
Unser dritter Mann auf der Wettfahrt war indes nicht unser Vater, sondern ein Blankeneser Architekt namens Millhagen. Er war einer der ersten Umwelt-aktivisten, die gegen die weitere Industrialisierung der Unterelbe kämpften. Zwei Projekte hatte der schlitzohrige Hamburger Senator Helmut Kern (selbst Segler mit Spitzgatter „Kismet“ im NRV) aber trotz aller Bedenken bereits angeschoben und durchgeboxt: Entwickelt wurde bereits ein Areal zwischen Stadersand und Abbenfleth sowie ein zweites zwischen Brokdorf und Brunsbüttel.
Start–und Zielschiff war- gemeinsam für das Regattateam vom HSC und NRV -über viele Jahre ein schwarzer Bugsierschlepper von Schuchmann, vermutlich auch einziges Begleitschiff. Auf dessen Achterdeck stapelten sich an die hundert Seesäcke und Gepäckstücke von allen teilnehmenden Kuttern und Jollen.
Das Wetter für diese Veranstaltung war blendend. Auch gab es damals noch diese verlässliche Wetterlage zwischen Ostern und Pfingsten mit einem ausgedehnten, kontinentalen Hoch. Das lieferte uns östliche Winde um 3. Soweit ideal.
Folkeboote wurden in den 60ern auch auf der Elbe schon recht populär; es gab 1968 indes kaum halb so viele wie heute, aber alle segelten auch Regatta. Die Glückstadt Wettfahrten waren also ein ganz typisches Abbild aller Elbsegler: Es war eine Jedermann-Veranstaltung mit über hundert Booten und sehr vielen verschiedenen Startgruppen. Unser schärfster Konkurrent war Harald Wehofsky mit „Ohlala“, F-G-160, vielleicht das schönste aus einer größeren Serie gebaut von Schlichting in Travemünde. Mit Harald zusammen war ich 1950 in Altona konfirmiert worden. Sein Vater Franz hatte etwas mehr Geld im Portemonnaie: Er segelte mit Familie eine 11 KR Yawl namens „Christiana“- deren- allerdings deutlich besser bekannte- Schwesterschiffe hießen „Rubin“ von H.O. Schümann, „Königin“ von Harald Löffler und „Ondine“ von dem Amerikaner Sumner A. Long. „Ondine“ endete indes recht früh auf einem Riff in der Karibik. Der Autor und Insel-Kenner Don Street erfuhr davon und barg vom Wrack noch den Besanmast. Den steckte er in seine 100 Jahre alte Kutterjacht „Iolaire“ und machte sie zur Yawl.

Auf der Wettfahrt nach Glückstadt erreichte unser Konkurrent „Ohlala“ die Wendemarke vor der Störmündung vor uns. Aber über den weiteren Ausgang der Wettfahrt entschied in der nun folgenden halben Stunde die richtige Anlage der Kreuz gegen die noch laufende Ebbe: Es galt mit drei langen Schlägen das Stromlee der Rhinplatte zu erreichen und dann 30 kurze Schläge unter der Nord bei ständigem Loten zu absolvieren. Das gelang uns.
Der Glückstädter Hafen wurde gerammelt voll. Größtes Schreckgespenst beim Einlaufen unter Segel war die Wischhafen-Fähre, die vorm Anlegen drinnen ihr Drehmanöver vollführte. Ein herrlicher Schwall ging durch den ganzen Hafen. Davon abgesehen verlief die anstehende Nacht einigermaßen ruhig. Ich lag unter der Luke im Vorschiff, aber es wurde saukalt. Zuvor hatten wir uns im Restaurant von „Bremer“, aufgewärmt und gestärkt; der bekannten und betagten Bretterbude hinterm Deich, wo es den besten Matjes gab. Dies obwohl die traditionelle Glückstädter Heringsfischerei mit Treibnetzen des Nachts auf der Doggerbank schon längst daniederlag.
Am nächsten Morgen, zum Start vor Bielenberg, hatte der Wind erheblich aufgefrischt: Beaufort 6 aus Ost. Es stand Wind gegen Tide. Es wurde eine richtig nasse Angelegenheit. Unsere Ausrüstung bestand damals aus Isländer unter gelbem Friesennerz, den kurzen englischen Gummistiefeln von Dunlop und dänischen „Halstorklaede af Frottee.“ Darüber die Elvström-Westen .Zwei der Crew lagen an der Kreuz bäuchlings hintereinander auf der Luvreling - wie im Starboot. Der Steuermann stand zumeist als Ausguck und klammerte sich mit einer Hand ans Süll und der anderen an die Pinne. Pinnenausleger auf Kielbooten gab es noch nicht.
Etwa auf dem halben Weg zurück, so zwischen Dwarsloch und dem Juelsbauern, schloss aus einem späteren Start eine hübsche 6 KR-Jacht langsam zu uns auf: „Hog Stean“ von Max Schierbeck, HSC/NRV.Stellen Sie sich einen Langkieler vor, ähnlich jenem A&R Bilderbuch-Trio,das Deutschland 1966 zum Goldpokal nach Kopenhagen schickte, und wo „Tina“ von Dick Carter Geschichte schrieb. Wir liefen lange nebeneinander auf parallelen Kursen und wir taten unser Bestes, um „Hog Stean“ zu halten. Irgendwann mussten wir die Bilge auspumpen und der dritte Mann von der Kante dazu nach unten. Dabei entkam uns „Hog Stean“. Wir fuhren einen exotischen Satz Segel aus San Francisco von De Witt. Dessen Stoff und auch die Handarbeit war allen europäischen „One-design“-Segeln deutlich überlegen. Man orientierte sich dort nicht an Jollen sondern an Seekreuzern. Unbewusst hinterließen wir mit unserem Folkeboot-Auftritt einen bleibenden Eindruck bei Max Schierbeck und Crew, und der wirkte nach: Etwa 20 Jahre später verkleinerte die Familie ihr Schiff. Was kaufte man: Ein Folkeboot! Das wiederum nannte sich „Hog Stean“.
Im Ziel bei Wedel hatten wir einen Vorsprung von knapp 15 Minuten. Wir waren nass bis auf die Haut und total erledigt. Nur einmal in den kommenden 50 Jahren war es ähnlich hart.
Ich habe damals –und auch später nicht -damit gerechnet, dass Folkeboote uns das Leben lang begleiten; dass wir eines Tages das sechste Folke- den nächsten Neubau- in unserer Familie bauen lassen könnten. Heute - 50 Jahre nach der ersten Glückstadt Wettfahrt - genieße ich noch immer das seltene Privileg, eins steuern zu können. Danke Petrus !

Klaus Pollähn, SVAOe
Im Juli 2017

 

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