Bernd Blohm, 14.09.11
Das 55 cm lange Modellboot aus dem Bausatz der Firma Graupner ist in ganz Europa sehr beliebt. Jedes Land verfügt über eine Rangliste von ca. 100 – 200 Teilnehmern. Die Top Segler jedes Landes segeln meist selbst große Boote, sind aktive Regattasegler. Welt- und Europameister aus unterschiedlichen Klassen sind dabei.
Für die Europameisterschaft dürfen je Land 4 Starter benannt werden, die von oben aus der Rangliste nominiert werden. Das Team Deutschland stellten Hennig Dresel (Nittel-Rehlingen), Nis Welm (Halstenbek), Roland Kitzing (Hamburg) und ich. Unsere Anreise gestaltete sich dank Rolands Einsatz mit seinem Multivan für mich und Nis sehr entspannt. Henning konnte mit Ryanair nach Växjö fliegen und so waren wir pünktlich zum Start der Veranstaltung am Freitag um 14:30 an der Promenade mitten in der Stadt. Das hervorragende Organisationskommitee hatte bereits Tonnen verlegt und eine Startmaschine aufgestellt. Die Startmaschine zählt die Sekunden zum Start laut und deutlich, damit der angespannte Daumensegler nicht selbst auf die Uhr schauen muß.
Es wurden dann bis 18 Uhr diverse Trainingswettfahrten sowie das offizielle Tune up Race gestartet. In dem Tune up Race konnte ich den 2. Platz ersegeln! In der Folge stoppte ich daher sämtliche Trimm- und Testaktivitäten, schnappte mir nach alter Seglertradition ein Bier, beobachtete noch eine Weile die Konkurrenz und nahm das gute Gefühl mit in die erste Nacht.
Die Vorgehensweise hatte sich offenbar gelohnt, denn ich konnte mich am ersten Renntag Samstag in der A Gruppe behaupten, was mir den Grundstock für die Gesamtplazierung liefern sollte. Zu den Gruppen ist folgendes zu sagen: da beim Modellsegeln mit 51 Startern ein Massenstart sehr unübersichtlich werden würde, segelt man in 3 Gruppen. Gruppe A + B mit jeweils 16 Startern, Gruppe C mit 19. Gruppe C beginnt – die besten 4 steigen in B auf. Dann segelt Gruppe B jetzt mit 20 Startern – die besten 4 steigen in A auf. Dann segelt A und danach ist der 1. Lauf beendet. Jetzt werden die Punkte von oben (Gruppe A) nach unten (Gruppe C) durchlaufend nach dem Low Point System verteilt. Für den nächsten Lauf steigen jetzt aus A und B die jeweils 4 Letzten wieder eine Gruppe tiefer ab und das Spiel beginnt von neuem.
Am Samstag sorgte der schwache SW-W Wind für eine schon erhebliche Welle, denn die Regattabahn lag direkt vor der Spundwand der Promenade. Daher ergab der Rückprall eine böse Schaukelwelle, die nur sehr mühsam zu segeln war. Die Konkurrenz war hart, und es wurde sehr eng gesegelt. Jeder kleine Fehler wurde mit Verlust mehrerer Plätze bestraft. Um eine ordentliche Bahn zu haben, wurde die Luvtonne doch recht weit entfernt gelegt, so dass man nur schwer sehen konnte, wie die Boote zueinander beim Runden lagen. Trotzdem gab es wenig Rempler und Proteste. Es sind halt dann wirklich die Besten Europas unterwegs. Da ist das Niveau der Bootsbeherrschung doch recht hoch. Nach dem ersten erfolgreichen Segeltag lag ich auf dem 12. Platz. Für mich völlig unerwartet, wäre ich doch nach meinen Erfahrungen in Holland zufrieden gewesen, wenn ich irgendwo in der Mitte angekommen wäre. Die Holländer, an denen ich mir noch im April die Zähne ausgebissen hatte, waren alle hinter mir – doch was gelernt!
Am Samstagabend gab es dann das berüchtigte Captains Dinner in einem sehr schönen Restaurant direkt an der Promenade. Nach alter (wohl englischer Sitte) sangen zunächst die Engländer ein kurzes Lied und forderten dann die anderen Teams auf, jeweils landestypisches Liedgut zum Besten zu geben. Nach mehrmaliger Aufforderung konnten wir uns auch nicht mehr rausreden und sangen „auf der Reeperbahn nachts um halb eins“…
Der Sonntag war dann geprägt von erheblich mehr Wind und noch mehr Welle. Nun trennte sich dann doch die Spreu vom Weizen… Wie der geneigte Leser schon in früheren Berichten erfahren hat, segeln wir in Deutschland ja ein etwas modifiziertes Modell. Das führt bei Wind dazu, dass man in Deutschland schwerere Kiele segelt, und damit bewegt sich das Boot völlig anders. Bei der Euro darf man eben nur mit dem Baukastenmodell und dann verkleinerten Segeln segeln. Das verändert das „Fahrverhalten“ des Modells beträchtlich, so dass wir Deutschen dann kaum damit klar kommen. Maximale Abdrift bei minimalem Vortrieb ist die Folge. Wendewinkel von deutlich über 100 Grad sind dann Standard und wollen in der Planung der Kreuz berücksichtigt werden. Kommt die Welle dazu, wird einem beim Zusehen schon fast schlecht, und so segelten wir dann auch….
Leider war es uns im Vorweg mangels Spundwand im Yachthafen Wedel und beharrlich wenig Wind zu unseren Montagstrainings nicht möglich, die Situation mit viel Wind und Welle ausreichend zu trainieren.
Ich konnte mich so schon im ersten Rennen leider nicht mehr in der Gruppe A halten und fiel direkt durch in C. Danach stellte ich noch mal alles komplett um, brachte mein D Rigg (ca. 4. Reff mit Sturmfock) zum Einsatz und dann ging es etwas besser. Mit dem neuen Setup konnte ich dann in Gruppe C mit einem denkwürdigen Guerilla-Start den Sieg erringen und wieder in B aufsteigen. Kurz vor dem Start drehte der Wind ganz leicht und von den meisten im Startgetümmel unbemerkt nach links. Schon auf der linken Seite platziert, konnte ich direkt an der Tonne trotz der Welle auf Stb Bug einen perfekten Nullstart fahren und ganz knapp vor dem Feld passieren. Dann kam glücklicherweise auf halbem Weg zu Tonne der Dreher nach rechts und ich war mit einem bis dahin in keiner Wettfahrt gezeigten Vorsprung am Luvfass. Man muß auch mal Glück haben… Dank perfekt getroffener Gewichtstrimmung mit dem Akku ging mein Modell vor dem Wind „wie der Teufel“. Keine Stecker in den Boen, ruhiges Surfen auf der Welle. So konnte ich den Vorsprung noch weiter ausbauen und schlussendlich in B aufsteigen. Das rettete mir meinen für mich überaus überraschenden 16. Platz in der Gesamtwertung! Gerade noch erstes Drittel – ein Traum bei den Bedingungen!
Die Veranstaltung wurde von einem kurzen aber heftigen Gewitter beendet und so konnte das Team Germany nach 12 Wettfahrten mit folgenden Platzierungen die Veranstaltung beenden:
16. Bernd Blohm SVAOe
18. Henning Dresel
34. Nis Welm
44. Roland Kitzing
Wir können wohl sagen, dass wir ein tolles Team waren. Alle haben sich gut verstanden. Wir haben uns gegenseitig geholfen und die Rennen teilweise analysiert. Alles in allem war es eine super Veranstaltung, stimmig in allen Bereichen. Sehr gut organisiert von dem schwedischen Team.
Für mich wirklich überraschend, dass ich als bester Deutscher nicht nur die deutschen Farben sondern auch die der SVAOe in Schweden hochhalten durfte.