30.09.2017 Klaus Pollähn
Als mich Dörte Stryi auf der Preisverteilung des SCOe fragte, ob ich über die Pagensand-Wettfahrt schreiben würde, da war ich völlig unschlüssig. Nach fünfeinhalb Stunden an der Pinne war mein Adrenalin–Spiegel auf dem Tiefpunkt, der Magen mit Spanferkel und Krautsalat beschäftigt. Mein Kopf war leer und ich deshalb auch bereit zuzugeben, dass mir im Augenblick jegliche Ideen dazu fehlten. Später, nach einigem Grübeln, ergab sich aus meinen Beobachtungen auf der Wettfahrt das folgende Resümee:
Diese Veranstaltung spiegelt wie kaum eine andere Distanz- Wettfahrt die uns im Tiderevier gebotenen bzw. noch verbliebenen Möglichkeiten. Die Regatta behielt mit 51 Meldungen auch 2017 ihre Anziehungskraft. Für die heutige Zeit eine respektable Zahl- etwa im Vergleich zum Senatspreis. Aber auch nur, wenn man die Vergangenheit nicht mehr kennt: Das ist in etwa die Hälfte dessen, was in den 60er, 70er Jahren um die namensgebende Insel segelte. Die heutige Flotte umfasst alles von der Jolle mit 5 Meter Länge (Pirat oder C 55) bis zum Seekreuzer mit 14 Metern. Das jetzige Format indes ist eine längere Bahn ohne Schikane. Berüchtigt für die Wettfahrt waren nämlich früher die Staus hinter Pagensand bei Tidenwechsel im Steinloch, wo die parkende Flotte groteske Situationen erlebte.
Wie einfach wir das dafür heute haben! Kaum ein Teilnehmer der letzten Jahre wird wissen, dass der Start früher-in den 60er Jahren- nicht am Jachthafen in Wedel, sondern auf der Twielenfleether Reede vor sich ging. Das hatte zwei Gründe: Zum einen, um Segler der Region Stade einzubinden, zum anderen, um eine bedeutend größere Flotte aus dem Fahrwasser zu halten. Deren Kurs führte um die gesamte Insel herum bis zurück nach Wedel.
Vorhergesagt war uns Wind aus SSW mit Stärke 2 bis 3. Das machte „Straßen-bahnfahren“ recht wahrscheinlich. Unvorhergesehene Segelmanöver waren also nicht zu erwarten. Aber auch eine Planung vonnöten, wo auf welchen Kursen oder Abschnitten der Spinnaker (oder noch ein anderes Vorsegel) klar zum Heißen liegen sollte. Das bedeutete auch: Der sog. Aufzug bei Krautsand war ohne Probleme zu bewältigen, die Tonnenmanöver dort liefen einfach genug ab. Einen Beitrag lieferte unverhofft die Regattatonne bei 87: Sie lag ungewöhnlich nahe an der Tiefwasserkante- näher als jemals zuvor. Vielleicht wollte der Veranstalter keinen Teilnehmer veranlassen, sie auf dem Rückweg auf der falschen Seite zu passieren. Die Wassertiefen am Schwarztonnensand lagen höher als normal; es gab keine Festkommer.
Nachteilig für alle Crews waren Dauerregen und schlechte Sicht. In den Segeln klebten fast dauerhaft alle Windfäden. Eine wirkliche Hilfe waren für mich nur Wollfäden am Want zur Korrektur falscher Schotstellungen. Das älteste, lehnigste und leichteste aller Vorsegel war mal wieder gefragt. Das Großsegel entleerte aus seinem Bauch über dem Großbaum den Wasser-Schwall im passenden Moment über die Crew, wenn der Steuermann sich vom Platz bewegte.
Überraschungen auf der Bahn konnte es eigentlich kaum geben, sofern man die Großschifffahrt rechtzeitig aufs Programm nahm. Wer das verpennte, wurde von schnellen Gummibooten gescheucht. Die Waschpo war auch zur Stelle.
Mit Argwohn beobachteten wir die schnellen Hirsche, die mit Gennaker oder Spi aufkamen und an uns vorbei zogen. Namentlich Berend Beilken machte auf uns Eindruck. Später verriet er uns, dass er 4 verschiedene Vorsegel benutzt hatte. Zum Sieg in seiner Gruppe reichte es dennoch nicht. Mich wundert, dass überlappende Reacher mit hohem Schothorn völlig aus der Mode gekommen sind. Manche Schiffe hatten- trotz ihrer verdoppelten Segelfläche unter Spinnaker- recht wenig Gewinn an Fahrt davon.
In meiner eigenen Prognose- teils gespeist aus eitler Hoffnung, teils untermauert aus Erfahrungen der letzten 50 Jahre, da sah ich noch mehrere Folkes berechnet unter den ersten zehn enden. Damit lag ich aber fix daneben. Denn es fehlte der gehörige Druck aus einer homogenen Gruppe, die sich gegenseitig antreibt: Der Abstand untereinander wurde dafür über die Dauer von fünf Stunden einfach viel zu groß.
Beim „ Straßenbahnfahren“ zieht sich das Feld trotzdem noch recht weit auseinander. Die 5 Minuten Abstände zwischen den 4 Startgruppen können das nur teilweise ausgleichen. Wie wirkten sich die unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus? Wir im Folkeboot rundeten die Tonne 87 gleichzeitig mit dem Schnellsten der Gruppe 4, “Edelweiss“, der damit den Aufzug schon hinter sich ließ und den Heimweg antrat- gegen die Tide. Mithin erlebten alle Boote später den langsam beginnenden Tidenwechsel an sehr verschiedenen Orten, etwa zwischen Pagen-Süd und der Radarstation vor Hetlingen.
Der klare Sieger nach berechneter Zeit war „Käpten Brass“ von Jan Werber, ein altbekannter 6 KR Stahlbau aus den 50er Jahren, ein Typus, inspiriert von Hein Garbers- hier im kleineren Format. Ein solcher Spitzgatter segelt sehr effektiv unterhalb der Rumpfgeschwindigkeit, besonders bei glattem Wasser ist die Wellenbildung gering und der Abriss am Heck ideal. Sein größter Vorteil: Ein hohes Rigg. Die Holepunkte aller Vorsegel liegen außen auf der Reling und nicht am Aufbau.
Den 2. Schnelligkeitspreis gewann –für viele überraschend–eine O Jolle. Die zog sich konsequent - unter Missachtung des Stromvorteils- in Lee aus ihrem Start 1. Bei ihrem einfachen Rigg entfallen gänzlich jene Fehler, die --typisch für halben Wind- vielfach bei ungenauer Abstimmung zwischen Groß- und Vorsegel entstehen.
Den dritten Schnelligkeitspreis gewann das Folkeboot „Fun“. Dessen Skipper verweist auf seine Jahrzehnte lange Erfahrung, seine akribische Vorbereitung und auch auf eine über 20 Jahre alte Brüder- Fock. Helmut Platzöder rechnete und zeichnete deren Profile damals noch auf Papier und die wurden später durch längeres eigenes Tifteln (auftrennen und neu vernähen) weiter optimiert. Das Tuch ist überhaupt nicht müde und ist noch immer viel zu schade fürs Altenteil oder den Müll.
Andere Überraschungen auf der Preisverteilung hielten sich jedoch in Grenzen. Alle üblichen Verdächtigen kamen ins Rampenlicht. Das führt dann auch zur Häufung einiger Wanderpreise. Auf der Pagensand sind eben fast alle der bekannten Elbsegler vertreten und die meisten von ihnen waren auch wegen ihrer immensen Erfahrung wieder vorne. Aus der SVAOe z.B. Koerling/Gustavson mit „Swift,; Berend Beilken mit „Ballerina II“; Lars Christiansen mit „Fettes Brett“; Klaus Uwe Stryi mit “Pax“.
Im Herbst 2017 können die übrigen Elb-Vereine konstatieren, dass ihnen der SCOe mit dieser Veranstaltung den Rang abgelaufen hat. Elbsegler lieben Veranstalter, deren Absichten von vorn herein klar sind. Verlierer im Zuspruch waren 2017 jene Vereine, die von den Teilnehmern erst am Startschiff Last- Minute -Entscheidungen zur Bahn und zur Strategie abverlangen. Oder Veranstalter, die eigentlich die Flexibilität der Teilnehmer fördern wollen und deshalb immer neue Bahnen erdenken, die dann aber auf die eingetretene Wetterlage leider doch viel zu wenig Rücksicht nahmen.